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Keine Kürzung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen bei begünstigtem Vermögen nach § 13a ErbStG

Erbschaftsteuer: §10 Abs. 6, §§ 13a, 13b EStG
BFH, Urteil vom 22.07.2015, II R 12/14, DStR 2015, 2015, Streitjahr: 2001

Sachverhalt/Problem:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsanspruch zu kürzen ist, wenn zum Nachlass des Erben nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen gehört.

Klägerin des Verfahrens ist die Tochter des verstorbenen Erblassers. Sie ist gemeinsam mit ihrem Bruder Miterbin zu gleichen Teilen geworden. Ihre Mutter (Ehefrau des Erblassers) hat die Erbschaft ausgeschlagen und erhält ihren Zugewinn sowie den sog. kleinen Pflichtteil.

Den Zugewinnausgleich der Mutter erfüllten die Miterben durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die zum Nachlass zählten. Das Finanzamt behandelte die Übertragung des begünstigten Gesellschaftsanteils teilweise als steuerschädliche Übertragung. Den Zugewinnausgleichsanspruch berücksichtigte es in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit. Den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch zog es allerdings im Hinblick auf die verbleibende Begünstigung für Betriebsvermögen nur anteilig ab.

Leitsatz / Orientierungssatz:

Die Verpflichtungen zur Zahlung des geltend gemachten Pflichtteils und des Zugewinnausgleichs an den überlebenden Ehegatten des Erblassers sind auch dann in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar, wenn zum Nachlass ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehört, dessen Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt ist.

Begründung/Text:

Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die teilweise Übertragung der Anteile an der GmbH und der KG auf E zum anteiligen rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigung nach § 13a Abs. 2 ErbStG geführt hat. Entgegen der Ansicht des FG ist aber die Pflichtteilsschuld in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

Der geltend gemachter Pflichtteilsanspruch ist in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen

2. Der von E gegen die Klägerin geltend gemachte Pflichtteilsanspruch von 2.033.518 DM ist in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Inhalt und Bedeutung des § 10 Abs. 6 S. 5 ErbStG

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG kann der Erbe vom Wert des gesamten Vermögensanfalls die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG begründet in Fällen, in denen zum Nachlass ein Anteil an einer GmbH gehört, dessen Erwerb nach § 13a ErbStG begünstigt ist, keine Einschränkung dieses Abzugs.

aa) Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder mit den nach § 13a ErbStG befreiten Anteilen an Kapitalgesellschaften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind gemäß § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht. Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, sind demgegenüber gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG in vollem Umfang abzugsfähig.

Was bedeutet wirtschaftlicher Zusammenhang?

bb) Mit dem auch in den Sätzen 1, 2 und 3 des § 10 Abs. 6 ErbStG verwendeten Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist dasselbe gemeint wie in § 103 Abs. 1 BewG (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005 II R 34/03, BStBl II 2005, 797). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Schulden mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i.S. des § 103 Abs. 1 BewG wird angenommen, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die das Betriebsvermögen betreffen (BFH-Urteile vom 19. Februar 1982 III R 108/80, BStBl II 1982, 449, und BStBl II 2005, 797). Dieser Zusammenhang ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Schuld zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung des jeweiligen Vermögens eingegangen worden ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Schuld und dem begünstigten Vermögen besteht (BFH BStBl II 2005, 797).

cc) Schulden und Lasten können danach nur mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Erbe ein Darlehen zu tilgen hat, das der Erblasser zum Kauf eines zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstands (z.B. Grundstück, Beteiligung an einer Personengesellschaft oder Anteil an einer Kapitalgesellschaft) aufgenommen hatte. Fehlt es an einem solchen konkreten Zusammenhang einer Nachlassverbindlichkeit mit bestimmten zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen oder Vermögen, so wird ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit allen zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenstände und Vermögen nicht allein dadurch begründet, dass der Erbe zur Erfüllung der Verbindlichkeit verpflichtet ist. Diese Verpflichtung des Erben begründet keinen wirtschaftlichen, sondern allenfalls einen rechtlichen Zusammenhang.

Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten, die nicht in einem konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen stehen, nur mit dem Anteil abzugsfähig sind, der dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Steuerwerte der steuerpflichtigen Vermögensgegenstände zum entsprechenden Wert des steuerfreien Vermögens entspricht, hätte er dies anordnen können und müssen. Für eine derartige Aufteilung durch die Finanzverwaltung und die Rechtsprechung findet sich in § 10 Abs. 6 ErbStG keine Rechtsgrundlage. Der Wortlaut des § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG betrifft nur den Fall, dass nach Anwendung des § 13a ErbStG ein anzusetzender Wert des nach § 13a ErbStG begünstigten Vermögens verbleibt.

Für diese Auslegung des § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG spricht auch die in § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG getroffene Regelung, nach der Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in vollem Umfang abzugsfähig sind. Dies bestätigt die Ansicht, dass der von § 10 Abs. 6 ErbStG vorausgesetzte wirtschaftliche Zusammenhang nur gegeben ist, wenn Schulden oder Lasten bestimmten zum Nachlass gehörenden aktiven Vermögensgegenständen oder Vermögen zugeordnet werden können, nicht aber bei anderen Nachlassverbindlichkeiten, bei denen eine solche konkrete Zuordnung nicht möglich ist. Hätte der Gesetzgeber dies anders gesehen, ist anzunehmen, dass er unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) an Steuergesetze für den nach § 13a ErbStG begünstigten Erwerb von Betriebsvermögen keine Ausnahme von der nur anteiligen Abziehbarkeit solcher Nachlassverbindlichkeiten wie etwa der Pflichtteilsschuld gemacht hätte.

Anmerkung:

Die Entscheidung ist zur Rechtslage vor den Änderungen des ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 (BGBl. I 2008, 3018) ergangen. Die Ausführungen zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen gelten aber auch für § 13a Abs. 5 ErbStG in der gegenwärtig geltenden Fassung. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die Auslegung des § 10 Abs. 6 ErbStG. Lediglich die Regelung des § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG a.F., nach der Schulden und Lasten, die mit dem nach § 13a ErbStG befreiten Betriebsvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in vollem Umfang abzugsfähig waren, ist mittlerweile modifiziert, ändert aber die Grundaussage des Urteils, wie die nachfolgend unter N 2 abgedruckte Entscheidung des BFH belegt, nicht.