+49 (0)211-86721 0 Enable JavaScript to view protected content.
Menü

Wegfall einer Betriebsaufspaltung bei Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

Einkommensteuer: § 15 EStG
BFH, Urteil vom 21.01.2015, X R 16/12, GmbHR 2015, 776, Streitjahr 2002

Sachverhalt / Problem

Vater behält sich am Besitzunternehmen und an den GmbH-Anteilen den lebenslänglichen Nießbrauch vor.

Leitsatz / Orientierungssatz

Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden (hier: Übertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge an den Sohn des Betriebsinhabers).

Begründung / Text

Verflechtung

d) Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden Betriebsunternehmen sachlich und personell verflochten ist (vgl. z.B. Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 96/96, BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771, m.w.N.; vom 12. Oktober 1988 X R 5/86, BFHE 154, 566, BStBl II 1989, 152). Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 570, BStBl II 2002, 771; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Eine Betriebsaufspaltung ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann gegeben, wenn der Vermieter nicht Eigentümer des vermieteten Wirtschaftsguts ist, sondern wenn es ihm (nur) zur Nutzung überlassen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, m.w.N.).

Beendigung der Betriebsaufspaltung trotz Nießbrauchsvorbehalt

Eine Betriebsaufspaltung endet, wenn sowohl das Besitzunternehmen als auch die GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs auf einen Dritten übertragen werden.

Unveränderte Kompetenz des Gesellschafters

Spätestens seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. November 1998 II ZR 213/97 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1999, 571) war geklärt, dass die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Gesellschaftsanteil nicht genommen wird. Der Nießbraucher an den Gesellschaftsanteilen erhält zwar ein dingliches Nutzungsrecht, wird aber nicht Gesellschafter. Inhalt seines Nutzungsrechts sind vor allem die Früchte der Mitgliedschaft (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Kompetenz des Gesellschafters, bei Beschlüssen, welche die Grundlagen der Gesellschaft betreffen, selber abzustimmen, wird ihm durch die Einräumung eines Nießbrauchs an seinem Anteil nicht genommen.

Zwar ist diese Entscheidung zu Personengesellschaften ergangen. Auch in Bezug auf GmbH-Anteile entspricht es aber der herrschenden Meinung sowohl in der Instanzrechtsprechung (Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Januar 1992  6 U 963/91, NJW 1992, 2163) als auch in der Literatur (z.B. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 15 Rz 102; Seibt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012, § 15 Rz 217; Reichert/Weller in Münchner Kommentar zum GmbHG, 2010, § 15 Rz 338, jeweils m.w.N.), dass die Stimmrechte im Fall der Einräumung eines Nießbrauchs grundsätzlich beim Gesellschafter bleiben.

Da eine Betriebsaufspaltung voraussetzt, dass eine Person oder Personengruppe sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen beherrscht (vgl. oben), kann keine Betriebsaufspaltung vorliegen, wenn zwar der/die Eigentümer des Besitzunternehmens und der/die Inhaber der GmbH-Anteile am Betriebsunternehmen identisch sind, jedoch am Besitzunternehmen und an den GmbH-Anteilen ein Nießbrauchsrecht zugunsten einer Person oder Personengruppe bestellt ist. Diese beherrscht zwar aufgrund des Nießbrauchs das Besitzunternehmen, nicht aber die GmbH, weil die Stimmrechte daran nicht ihm, sondern dem Gesellschafter der GmbH zustehen. Werden bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung sowohl das als Einzelunternehmen geführte Besitz- als auch die in der Rechtsform der GmbH betriebene Betriebsgesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, entfällt die personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft. Dies war bei Bestellung des Nießbrauchs geklärt, auch wenn der BFH dies im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids der Kläger für die Übertragung eines Besitz- und Betriebsunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt nicht ausdrücklich entschieden hatte.

Nießbraucher wird nicht stimmberechtigt

e) Im Streitfall hätte das FA nach alledem bei Kenntnis des Nießbrauchsvorbehalts unter Berücksichtigung der Rechtslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Besteuerung der Kläger im Streitjahr einen Aufgabegewinn zugrunde legen müssen, da ein Nießbrauch an GmbH-Anteilen nicht bewirkt, dass der Nießbraucher stimmberechtigt wird. Darauf kommt es bei der Frage der Beherrschung einer GmbH entscheidend an, weil eine GmbH (abgesehen vom Fall der faktischen Beherrschung) durch die Ausübung der Stimmrechte beherrscht wird. Ab der Betriebsübergabe hat der die sachliche Beherrschung bewirkende Kläger die Betriebskapitalgesellschaft nicht mehr beherrscht.

4. Die Änderung des Einkommensteuerbescheids ist auch nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

Anmerkung

a) Es entspricht ganz überwiegender herrschender Meinung, dass das für die Annahme einer personellen Verflechtung bedeutsame Stimmrecht beim Gesellschafter verbleibt und nicht auf den Nießbraucher übertragen werden kann (vgl. hierzu Anm. zum o. a. Urteil von Wachter m. w. N.).

Das Stimmrecht gehört (anders als etwa das Gewinnbezugsrecht) nicht zu den Nutzungen. Damit verbleibt es beim Gesellschafter.

In der Gesellschafterliste ist alleine der Gesellschafter eingetragen. Eine Eintragung des Nießbrauchs in die GmbH-Gesellschafterliste ist weder erforderlich noch möglich (s. BGH vom 24.02.2015 – II ZB 17/14, GmbHR 2015, 526).

Der Gesellschafter muss bei der Ausübung des Stimmrechts auf die berechtigten Interessen des Nießbrauchers Rücksicht nehmen (§ 1071 BGB). Dies betrifft aber nur das Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Nießbraucher; im Außenverhältnis zur Gesellschaft steht das Stimmrecht dem Gesellschafter dagegen alleine zu.

Das Stimmrecht kann dem Nießbraucher nicht mit dinglicher Wirkung übertragen werden (s. OLG Koblenz vom 16.01.1992 – 6 U 963/91, GmbHR 1992, 464, zum Vermächtnisnießbrauch an GmbH-Geschäftsanteilen). Der Gesellschafter kann den Nießbraucher auch nicht ermächtigen, das Stimmrecht im eigenen Namen auszuüben. Der Gesellschafter kann den Nießbraucher (allgemein oder für den Einzelfall) zur Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen. Die Vollmacht hat jedoch keine verdrängende Wirkung und ist zumindest aus wichtigem Grund widerruflich.

b) U. E. könnte jedoch – worauf der BFH nicht eingeht - § 6 Abs. 3 EStG (unentgeltlicher Übergang des gesamten Besitzunternehmens einschließlich der zum BV gehörenden GmbH-Anteile) zur Anwendung kommen mit der Folge, dass beim Vater die stillen Reserven nicht aufzudecken sind und der Sohn nach § 6 Abs. 3 S. 3 EStG die Buchwerte fortführt. Auch wenn die Stimmrechte verbleiben, so geht gleichwohl die Substanz und die Chance auf Werterhöhung auf den Sohn über.